Sonntag, 28. August 2016

Ein Besuch in Schloss Linderhof - König Ludwig II. von Bayern und sein Kreis

Wir fahren weiter und biegen dann ab nach Schloss Linderhof. Nachdem wir eine Eintrittskarte ohne Schlossführung gekauft haben,  wandeln wir wie König und Königin durch die parkähnliche Landschaft mit den auf einer Symmetrieachse zwischen den Bergen erbauten Ensembles, in deren Mittelpunkt das Schlösschen steht. Zuerst ersteigen wir die Treppe zum Venus-Rundtempel. Von dort haben wir einen schönen Überblick auf die Anlage.


Linderhof ist das kleinste von den drei Schlössern, die König Ludwig II. erbauen ließ und sein Lieblingsschloss, das er am häufigsten besucht hat. Ursprünglich wollte Ludwig II. im abgelegenen Graswangtal ein Schloss nach dem Vorbild von Versailles errichten. Er änderte aber seine Pläne und erbaute Herrenchiemsee als sein Versailles. Das Vorbild für das Schlösschen Linderhof war die in der Nähe von Versailles gelegene Pavillon-Anlage von Marly, in die sich der französische König zurückziehen konnte, wenn ihm das Hofleben zu viel wurde.
König Ludwig II. von Bayern wurde an einem 25. August geboren, dem Tag des französischen Königs Ludwig IX., der auch der Heilige genannt wurde, und der unter anderem die Sainte Chapelle in Paris errichten ließ, um eine der bedeutendsten Reliquien der Christenheit, Christi Dornenkrone, die er in Konstantinopel erworben hatte, würdig aufbewahren zu können. Diesen König interessierte nicht die äußere Macht, die eine Königskrone symbolisiert, sondern das Vorbild Christi, der mit der Schmerzenskrone gekrönt wurde.
Die späteren französischen Könige, die auf den Namen Ludwig hörten, waren eher machtbewusste Herrscher, die sich wenig um das Vorbild Ludwigs des Heiligen scherten. Nur der letzte der Ludwige, der mit seiner Frau, der Österreicherin Marie-Antoinette, auf der Pariser Place de la Concorde unter der Guillotine endete, musste die Schmerzenskrone kosten.
Eine Büste von Marie-Antoinette auf einem Sockel mit dem Wappen der französischen Könige lächelt uns beim Aufstieg zum Venus-Tempel an. 
Ludwig XVI. war, wie ich erfahre, der Taufpate von Ludwigs Großvater Ludwig I., der ebenfalls an einem 25. August geboren worden war. Daher rührt wohl die Liebe der bayerischen Könige für die französischen Könige aus dem Hause Bourbon. Ludwig II. wollte nicht den Glanz und Prunk dieser Könige nachahmen, sondern durch seine Bauten auf das Gottesgnadentum der Königsmacht hinweisen, von dem er überzeugt war. Selbst war er ein bescheidener Mensch, der sich am liebsten im bürgerlichen Gehrock und inkognito auf Reisen begab.
Als nächstes Ziel steuern wir die Venusgrotte an. 
Der Gartenarchitekt des Königs hat die beiden Gartentypen der Zeit wunderbar vereint. Die streng symmetrische Anlage, die vom Venustempel auf der südlichen Höhe zum Neptunbrunnen mit der Kaskade auf der nördlichen Höhe reicht, und in deren Mittelpunkt die königliche Villa steht, ist nach den Regeln des französischen Barockgartens gestaltet. Die weitere Umgebung mit dem Königshaus, dem Maurischen Kiosk, der Gurnemanz- Einsiedelei und der Hundingshütte ist nach dem Vorbild des Englischen Gartens gestaltet, der mehr der Epoche der Romantik, in der König Ludwig II. geboren wurde, entspricht.
Die Venusgrotte, eine künstliche Tropfsteinhöhle, in der ein künstlicher See eine illusionistische Kulisse für Aufführungen der Wagner-Oper „Tannhäuser“ bildet, führt uns in die phantastische Traumwelt des „Märchenkönigs“ ein. Hier erleben wir in dem unterirdischen Seelenpalast sein Wesen. Plötzlich wird uns klar: der Bayernkönig wollte nie erwachsen werden. Er ist ein Kind geblieben.

In der Venusgrotte befindet sich ein künstlicher See, über den sich der König in einem schwanenförmigen Kahn hinüberfahren ließ, um an seinen Königslogenplatz zu gelangen. Das Wasser in diesem See konnte er mit Hilfe der Dynamos des ersten bayerischen Elektrizitätswerkes auf 45 ° Celsius erwärmen lassen. Die ganze Grotte kommt mir vor wie der Mutterleib, in dem das Ungeborene im Fruchtwasser schwimmt und selig lächelt.
Plötzlich ist mir klar: König Ludwig II. war ein Kind geblieben, das sich unbewusst zurück in den Mutterleib sehnte, weil ihm die kalte irdische Realität weh tat.
Mein Gedanke geht aber noch weiter. Warum fühlte sich der bayerische König in der Realität, die er vorfand, nicht wohl? Warum zog er sich in die Einsamkeit der Berge oder in seine künstlichen Welten der Poesie und Schönheit zurück?
Ich denke, er war nicht der einzige seiner Generation, der unter der Realität des fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts litt. Es war die Zeit, in der nach dem Idealismus der Goethezeit ein zunehmender Materialismus aufkam.
Das hängt mit dem im Jahre 1842 beginnendem Kampf Michaels mit Ahriman in der unmittelbar an die physische Welt angrenzenden Ätherwelt zusammen, der, wie Rudolf Steiner in Mitgliedervorträgen im Jahre 1917 mitteilte (GA 177), mit dem „Sturz der Geister der Finsternis“ im November 1879 endete. Immer mehr besetzten diese ahrimanischen Geister die Köpfe der Menschen und ließen sie die Ideale der Goethezeit vergessen, die wiederum mit dem himmlischen Kultus zusammenhängen, der am Ende des 18. Jahrhunderts in der Schule Michaels stattfand, und von dem Schiller (in den „Briefen über die Ästhetische Erziehung des Menschen“) und Goethe (im „Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie“) einen Abglanz auf der Erde empfingen.
All die Menschen, die jetzt inkarnierten und zu dieser Michael-Schule gehörten, mussten nun durch das Tal der Einsamkeit schreiten, weil die andere Gruppe, die zur Schule Ahrimans gehörte, das Sagen hatte. Nur wenige Menschen hatten die Kraft, den Anhängern Ahrimans entgegenzutreten. Darunter war als einsamer Kämpfer Richard Wagner, der aus einer tiefen inneren Weisheit heraus die Bilder aus der Siegfried- und Artussage schöpfte und zu Opern gestaltete[1]. Es war im entscheidenden Jahr 1842, als er nach Dresden übersiedelte und auf der nicht weit entfernten böhmischen Burgruine des Schreckenstein bei Aussig den ersten Entwurf zum „Tannhäuser“ niederschrieb.
Damals war König Ludwig noch nicht einmal geboren. Aber schon als Knabe sah der Kronprinz den Tannhäuser und erfuhr von der Liebesgrotte. So ernst nahm er die inneren Bilder der Oper, dass er sie in die Realität herunterholen wollte und im Graswangtal solch eine Liebesgrotte verwirklichte. Hier konnte sein Geist sich entfalten, hier konnte er in seinen Bildwelten leben, hier konnte er die Luft atmen, die seine Seele ernährte.
Zu den verwandten Seelen Ludwigs gehörten innerhalb der damals führenden Kreise auch die acht Jahre ältere Sissi, die Kaiserin Österreich-Ungarns, und die 20 Jahre ältere Zarin Maria Alexandrowna, eine Prinzessin aus dem Hause Hessen-Darmstadt, nicht aber die preußischen Verwandten seiner Mutter.
Einer fehlte in dem Kreise dieser Menschen, einer, der berufen gewesen wäre, die wirkliche Führerschaft in den deutschen Ländern zu übernehmen. Ich meine den badischen Erbprinzen, der am 29. September 1812 in Karlsruhe geboren wurde und ein paar Tage später angeblich starb, in Wirklichkeit aber unter mysteriösen Umständen verborgen wurde und schließlich am Pfingstmontag, den 26. Mai 1828 in Nürnberg als Kaspar Hauser wieder auftauchte, um nach nur fünf Jahren mit erst 21 Jahren, am 14. Dezember 1833 im Hofgarten von Ansbach von einem Emissär westlicher Logen ermordet zu werden[2].
Der badische Großherzog hätte sowohl bei der in Baden beginnenden 48er Revolution als auch bei der unheilvollen Verkündigung des Zweiten Deutschen Kaiserreiches im Spiegelsaal von Versailles eine wichtige Rolle spielen können, die den Idealen eines Königs Ludwig eher entsprochen hätte als die politischen Veranstaltungen, die im Sinne Bismarks, des Antipoden Kaspar Hausers, unternommen wurden.
Dass König Ludwig II. ausgerechnet an einem Pfingstsonntag ums Leben gekommen ist, zeigt für mein Empfinden, wes Geistes Kind er war. Beide, Kaspar Hauser und Ludwig, standen unter dem gleichen Stern: es ist der Stern der „Heiligen Sophia“, die damals noch nicht auf der Erde angekommen war, weil die Zeit noch nicht angebrochen war. Rudolf Steiner sprach im Zusammenhang mit jenen Menschen, zu denen auch Friedrich Nietzsche gehörte, von den „verfrühten Seelen“, von den „Frühgeburten“ des erst im Jahre 1900 beginnenden „Lichten Zeitalters“.
In diesem geistigen Zusammenhang erst offenbart sich für mich die wahre Symbolik der Venusgrotte von Linderhof.




[1]Friedrich Nitzsche schreibt über seine erste Begegnung mit dem Komponisten, dessen Werk erst durch die großzügige finanzielle Unterstützung des Bayernkönigs möglich wurde, am 17. Mai 1869 in Wagners Villa in Triebschen,  an seinen Freund Erwin Rohde: „(…)dazu habe ich einen Menschen gefunden, der wie kein anderer das Bild dessen, was Schopenhauer „das Genie“ nennt, mir offenbart und der ganz durchdrungen ist von jener wundersamen innigen Philosophie. Dies ist kein anderer als Richard Wagner, über den Du kein Urteil glauben darfst, das sich in der Presse, in den Schriften der Musikgelehrten usw. findet. Niemand kennt ihn und kann ihn beurteilen, weil alle Welt auf einem anderen Fundament steht und in seiner Atmosphäre nicht heimisch ist. In ihm herrscht so unbedingte Idealität, eine solche tiefe und rührende Menschlichkeit, ein solcher erhabener Lebensernst, dass ich mich in seiner Nähe wie in der Nähe des Göttlichen fühle“  (https://de.wikipedia.org/wiki/Tribschen)
[2] Am Samstag, den 13. August zeigte Arte drei Filme über sogenannte „Geheimgesellschaften“, die natürlich in vielen Aspekten einseitig waren. Dabei wurde auch die Loge an der amerikanischen Elite-Universität Yale gezeigt, die im Todesjahr Kaspar Hausers gegründet wurde und jenen Totenkopf über gekreuzten Knochen („Skull and Bones“) zum Symbol hat, der auch auf dem Dolch zu finden ist, mit dem Kaspar Hauser ermordet wurde. Noch wichtiger erscheint mir aber, dass exakt zehn Jahre später in New York die jüdische Loge B’nai B’rith gegründet wurde, der bis heute nur Juden – und keine Nichtjuden – angehören dürfen. Von dieser Loge berichtete Arte allerdings nichts.

Samstag, 27. August 2016

Die russische Malerin Marianne von Werefkin in Ascona

Im Museo Comunale d’Arte Moderna Ascona stoßen wir wieder auf eine alte Bekannte: Der ganze zweite Stock des Museums ist der russischen Künstlerin Marianne von Werefkin (1860 – 1938) gewidmet, die von 1918 bis zu ihrem Tode in Ascona lebte. Sie hat hier auch ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sie war an der Gründung des städtischen Museums 1922 beteiligt, in dem heute ihre wunderbaren Bilder zu sehen sind.
Marianne von Werefkin war ab 1885 Schülerin des berühmten russischen Malers Ilja Repin, mit dem sie auch befreundet war. Damals lebte sie in Sankt Petersburg. Im Hause des Malers ist sie im Jahr 1892 auch dem russischen Philosophen und Liebhaber der „Sophia“ Wladimir Solowjow (1853 – 1900) begegnet. Damals begann, durch Ilja Repin vermittelt, auch die über dreißigjährige Freundschaft mit Alexej Jawlensky. Im November 1896 reist sie mit Jawlensky und einem anderen Künstler zum Studium nach München. Ein Jahr später stößt auch Wasily Kandinsky zu der Gruppe. In der Stadt an der Isar eröffnet die Adlige Marianne von Werefkin im Jahr 1900 einen Salon, in dem die russischen Künstler und Aristokraten, die in München leben oder dorthin kommen, aus- und eingehen. In den Jahren 1908 bis 1909 weilen die Künstlerpaare Werefkin-Jawlensky und Münter-Kandinsky im bayerischen Murnau. Es ist die Zeit, in der Werefkin zusammen mit ihren Freunden Jawlensky, Kandinsky und Münter die „Neue Künstlervereinigung München“ (NKVM) gründet Später verlassen sie die Künstlervereinigung wieder und bilden eine neue Künstlergruppe, die einen Almanach mit dem Titel „Der Blaue Reiter“ herausgibt, nach dem sie sich ab 1911 nennt.
Nicht erst seit der großen Kandinsky-Ausstellung des Lenbach-Hauses im Jahre 2008 begeistere ich mich für die Malerei der Künstlergruppe „Der blaue Reiter“, zu der auch Franz Marc und August Macke gehören. Meine Begeisterung geht auf eine Bildbetrachtung zurück, die wir Ende der Siebziger Jahre zusammen mit einem Freund und Dietrich Rapp, dem damaligen Herausgeber der anthroposophischen Zeitschrift „Die Drei“, anlässlich einer Paul Klee-Ausstellung in Stuttgart gemacht haben. Wir betrachteten gemeinsam das Paul-Klee-Bild „Gebirgsbildung“. Damals habe ich verstanden, was der Impuls der sogenannten „Abstrakten Malerei“, als dessen Begründer Wassily Kandinsky gilt, in Wirklichkeit war. Wassily Kandinsky lernte in seiner Münchener Zeit auch Rudolf Steiner kennen und würdigt ihn in seinem theoretischen Grundlagenwerk „Das Geistige in der Kunst“ als wesentlichen Inspirator seiner Kunst.
Ich sehe in der Gruppe dieser vorwiegend russischen Künstler die „Erstlinge“ des von Rudolf Steiner verkündeten neuen „Lichten Zeitalters“, das im Jahre 1900 begonnen hat. Sie hatten die Möglichkeit, die neuen geistigen Impulse aufzugreifen, die aus der übersinnlichen Welt in die Menschenseelen, die dafür offen waren, einströmten. König Ludwig II. und sein Kreis hatten diese Möglichkeit noch nicht und scheiterten tragisch an ihren „verfrühten“ Idealen.
Neben Murnau am Staffelsee ist Ascona am Lago Maggiore der zweite wichtige Ort, an dem sich Menschen trafen, die diese neue Zeit aufkommen spürten. Beides sind Orte an Alpenseen, die nördlich und südlich des Gebirges vom gleichen gigantischen Gletscher der letzten Eiszeit geschaffen wurden, die um das Jahr 8000 vor Christus mit dem Untergang des atlantischen Kontinents endete.

In beiden Orten gibt es ein „Russenhaus“. Von Rudolf Steiner wissen wir, dass besonders die russischen Seelen die Träger der neuen, der sechsten nachatlantischen Kulturepoche sein werden, die im New-Age-Jargon auch das „Wassermann-Zeitalter“  (Age of Aquarius) genannt wird, in der nach Rudolf Steiner das Geistselbst, das erste höhere Wesensglied des Menschen, ausgebildet werden soll. Dieses Zeitalter wird erst im dritten Jahrtausend beginnen, aber es wird schon jetzt von einzelnen Menschen und Menschengruppen „vorbereitet“. Und ich habe das starke Gefühl, dass zu diesen Menschen auch russische Persönlichkeiten wie Marianne von Werefkin, deren leuchtende Bilder wir in Ascona bewundern, gehören. Es ist, als ob in ihnen über den gemalten Bergen der goldene Himmel der alten Ikonen wiedererstrahlen würde. Das Gold war immer eine Farbe der Geistig- Himmlischen Welt. Die neue geistige Welt ist über den Bergen der Alpen aufgegangen, wie wir an diesen Bildern von Marianne von Werefkin, aber auch an jenem einzigartigen Bild von Alexej Jawlensky im Schlossmuseum Murnau sehen konnten, von dem ich leider keine Kunstkarte bekommen habe.
Curt Riess zitiert in seinem Buch „Ascona – Geschichte des seltsamsten Dorfes der Welt“ (Europa-Verlag, Zürich 2. Auflage 2014) den heute vergessenen Bonner Schriftsteller Wilhelm Schmidtbonn (1876 – 1952). Der Freund des Malers August Macke schreibt in den dreißiger Jahren über die „Invasionen“ in das um 1900 noch sehr bäuerliche Dorf Ascona Folgendes:
„Zuerst kamen die Vegetarier, die Grasfresser, die in weißen Hemden herumgingen und ihren Acker bebauten. Dann kamen die Gottsucher jeder Art. Die Astrologen, Gesundbeter, Buddhisten, die auch eine Erneuerung der Welt – aber von der Seele her – wollten. Wie die Urmönche die Wüste, suchten sie die Einsamkeit von See und Fels, um mit dem Rätsel des Daseins zu ringen. Dann kamen die Verherrlicher des Lebens: die Maler, Bildhauer, Dichter, Architekten – insbesondere solche, die anderswo ihr Leben nicht mehr fristen konnten. Unter dieser unermüdlichen Sonne trugen sie auch die bittersten Entbehrungen leichter. Zuletzt kamen die Millionäre.“ (S 18)
Murnau und Ascona, das sind für mich wie die zwei Seiten einer Medaille. An beiden Orten probierten Menschen neue Lebenswege oder neue künstlerische Wege aus. Das eine liegt nördlich, das andere südlich der Alpen. So ist natürlich auch das Licht an den beiden Orten ein ganz anderes. Während nördlich der Alpen, im „Blauen Land“, oft mystische Wolken „wabern“, scheint über dem Monte Verita immer die Sonne des Lichten Zeitalters.
Murnau mit der Insel Wörth, auf dem das älteste deutsche Gebet, das Wessobrunner Gebet aufgezeichnet wurde, erinnert mich noch an die atlantischen Zeiten. Auf den südlichen Inseln des Lago Maggiore, den beiden Brissago-Inseln, die wir leider nicht mehr besucht haben, blühen im berühmten Botanischen Garten die Blumen der nachatlantischen Zeit. Kein Wunder, wenn ich über der Haustür eines Hauses in der zentralen Straße von Ascona eine Kopie eines Bildes von Raphael sehe, auf dem Maria mit dem Jesus- und dem Johannesknaben zu sehen sind. Der südliche Maler der Madonnen kontrastierte mit dem gleichzeitigen nördlichen Dämonen-Meister Matthias Grünewald (Versuchung des Antonius im Isenheimer Altar, Colmar).

Marianne Werefkin gelangte im Süden zum Höhepunkt ihres expressionistischen Malstils, voller leuchtender Farben, während Wassili Kandinsky im Norden den abstrakten Malstil entwickelte und damit die Malerei von Grund auf revolutionierte. Malerei wurde bei ihm Musik und Tanz. Beide Malstile sind Ausdruck des Innersten der menschlichen Seele, auch wenn bei den Expressionisten noch Anklänge an die äußere Wirklichkeit bestehen, während bei den Abstrakten nur noch Formen und Farben aufeinandertreffen.