Freitag, 12. Juli 2019

"Wer ist die heilige Katharina?" eine Führung durch die Haller Katharinenkirche


Schwäbisch Hall, der 11. Juli 2019 (Donnerstag, 6.57 Uhr)


Bei der Vorbereitung für meine Führung durch die Haller Katharinenkirche hatte ich im Hintergrund immer schon die alexandrinische Philosophin Hypatia (380 – 415) im Auge, um derentwillen ich eigentlich die Führung machen möchte. Nun las ich gestern auf dem Wikipedia-Eintrag, dass es eine Heilige Katharina von Alexandria wahrscheinlich gar nicht gab, sondern dass diese Heilige „erfunden“ wurde, um sozusagen das Unrecht, das Christen der orphischen Philosophin im März  415 angetan hatten, indem sie sie töteten und zerstückelten, zu verdecken. Hypatia wurde, so lese ich auf dem Eintrag in Wikipedia, ähnlich zerstückelt wie Katharina, die man auf ein Rad gebunden haben soll.
Dann fiel mir das Buch „Das Rätsel des Urvorstandes“ (Verlag am Goetheanum, 2007) von Erdmuth Grosse wieder ein und ich las in dem Kapitel 12 über „Marie Steiners Inkarnationen“ von jenem Vortrag, den Rudolf Steiner am 27. Dezember (Marie Steiners späteren Todestag) 1910 in Stuttgart über „Okkulte Geschichte“ gehalten hat, in dem er zum ersten Mal vor den Mitgliedern der Theosophischen Gesellschaft ausführlich über Inkarnationsreihen und insbesondere über Hypatia sprach.
Auch Peter Selg hat am 14. März 2017 im Goetheanum anlässlich ihres 150. Geburtstages einen sehr schönen Vortrag über Marie Steiner gehalten, der heute unter dem Titel „Wir müssen vorwärts – Rudolf Steiner und Marie von Sivers“ (Verlag des Ita Wegman Instituts, 2017) gedruckt vorliegt.
In Okkulte Geschichte führte Rudolf Steiner aus:
„Es gehörte in einer gewissen Weise zum Höchsten, was man an Einweihungsgeheimnissen hat erleben können, wenn dasjenige, was ich eben angedeutet habe, menschliches Erlebnis geworden war. Und viele Schüler der orphischen Mysterien haben solche Erlebnisse durchgemacht, haben auf diese Weise ihre Zerstückelung in der Welt erlebt und haben damit das Höchste durchgemacht, was in vorchristlichen Zeiten als eine Art Vorbereitung für das Christentum hat erlebt werden können.“
Dadurch steht mir die andere bedeutende Frau, die Rudolf Steiner bei seiner Menschheitsaufgabe so aufopferungsvoll begleitete, wieder deutlich vor Augen: die in Sankt Petersburg aufgewachsene Marie von Sivers. Katharina ist nur eine Metapher für diese Individualität. Aber davon weiß hier noch niemand.
Interessant ist, dass die Katharinenkirche der Michaelskirche genau gegenübersteht, nur auf der anderen Seite des Flusses Kocher.

Bei meiner Vorbereitung auf meine morgige Führung bin ich unversehens – auf der Suche nach den mittelalterlichen Tugenden – beim Südportal der Kathedrale von Chartres gelandet, das Roland Halfen im zweiten Band seiner Chartres-Tetralogie so wunderbar beschreibt. Ich habe jetzt die ersten 25 Seiten (von S 313 – S 347) gelesen und viel über das mittlere Portal und die zwölf Apostel erfahren, die ja auch in der Katharinenkirche dargestellt sind, nämlich auf dem dreizehnseitigen Taufstein aus dem Jahre 1470. Es gäbe noch so viel zu lesen und zu lernen, aber ich schaffe es gar nicht mehr. Es kann nur eine erste Annäherung sein.
Was mich aber noch mehr beschäftigt, das ist die Individualität von Marie Steiner, die für mich hinter der Heiligen Katharina aufzuleuchten scheint, wie ich bereits heute Morgen erwähnt habe. Wenn ich bei Peter Selg lese, wie lieb sie sich um den immerzu aktiven Rudolf Steiner gekümmert hat, dann bin ich ganz gerührt. Auch das Motiv des „Bohemiens“ taucht in seinen Schilderungen wieder auf. Da heißt es auf den Seiten 21 bis 23:
„Nicht ganz ohne Schwierigkeiten versuchte Marie von Sivers, Rudolf Steiners Leben zu ordnen, das vor der Jahrhundertwende ausgesprochen unruhig, ja streckenweise chaotisch verlaufen war; sein Lebensstil erschien – vorsichtig formuliert – unkonventionell (…) Er war nie ein leichtfertiger ‚Bohemien‘ gewesen, wie mitunter vermutet und behauptet wurde, sondern ein ‚Gast‘ seines Zeitalters, wie Christian Morgenstern einmal betonte, ein Gast, der aus ‚Raumesweiten‘ und ‚Zeitenfernen‘ mit einer besonderen Aufgabe gekommen war, wie Marie von Sivers früh erkannte. Aber eben auch ein Mensch, der leben musste (…) Meistens war er und nicht sie auf Reisen und sandte Berichte und Nachrichten, inhaltlicher wie atmosphärischer Art. Sie brachte ihn oft zum Anhalter Bahnhof und sah, wie er in die übervollen Züge stieg, ein spiritueller Geisteswissenschaftler und hochsensibler Mensch, der ihrer Auffassung nach eine andere Art des Reisens verdient hatte …“

Schwäbisch Hall, der 12. Juli 2019 (Freitag, 5.52 Uhr)
Vor sechs Jahren habe ich das Buch „Der Fall Hypatia – Eine Verfolgung“  (Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, 2002) von Peter O. Chotjewitz gefunden und gekauft. Auf dem Titel ist eine hellenistische Statue abgebildet, die mich in gewisser Weise an die Nike von Samothrake erinnert, aber sie hat keine Flügel. Es ist „Hygieia“.
Über neuere Romane und Erzählungen arbeitet sich Chotjewitz vor zu den spärlichen zeitgenössischen Quellen, die über die alexandrinische Philosophin erhalten sind. Schon zu Lebzeiten Hypatias dichtete Palladas von Alexandria ein Epigramm, das so lautet:

„An die Philosophin Hypatia
Bewundernd blick ich auf zu dir und deinem Wort,
Wie zu der Jungfrau Sternbild, das am Himmel prangt.
Denn all‘ dein Thun und Denken strebet himmelwärts,
Hypatia, du Edle, süßer Rede Born,
Gelehrter Bildung unbefleckter Stern.“

Mehrere Motive vereinigt der Dichter hier: Der Bezug zu den Sternen und insbesondere zum Sternbild der Jungfrau, aber auch zu der Jungfrau Maria, deren „unbefleckte“ Empfängnis die katholische Kirche am 8. Dezember feiert.
Das Epigramm erinnert mich an einen Meditationsspruch, den Rudolf Steiner seiner Frau, die er immer wieder in seinen Briefen als „Mein Liebling“ oder „mein Liebes“ bezeichnet,  gab:

„In Sternenweiten
Zu Götterorten
Wendet den Geistesblick
Meine Seele.

Aus Sternenweiten
Von Götterorten
Strömet die Geisteskraft
In meine Seele

Für Sternenweiten
Nach Götterorten
Lebt m e i n Geistesherz
Durch meine Seele“

 Im November 1903 schrieb Rudolf Steiner an Marie von Sivers aus Weimar:
„Heute habe ich Deine lieben Zeilen erhalten. Sie sind ganz Du. Doch sollst Du nicht glauben, dass ich den Zug in Dir, der uns zusammengeführt hat, auch nur im geringsten unterschätze. Für uns ist ja das gemeinsame Ziel eine der Meister-Kräfte, denen gegenüber wir beide ‚lenksam‘ sein müssen in treuer, fester Waffenbrüderschaft.“ (Peter Selg, S 15)
Im April 1904 hat  Rudolf Steiner in einem Brief  folgende Formulierungen gewählt:
„Ich denke in Liebe an dich, und alle Arten des Nahekommens sind bei uns nur Bestätigung unseres tiefen geistigen Zusammenhangs. Du bist mir die Priesterin, als die Du mir entgegenblicktest, als ich Deine Individualität erkannt hatte. Ich schätze Dich in der Reinheit Deiner Seele, und nur deshalb darf ich Dir zugetan sein.“
Noch wenige Tage vor seinem Tod, am 20. März 1925 schrieb er ihr:
„Ich schaue mit Bewunderung  allem zu, was Du in solcher Hingabe vollbringst (…) Wie dankbar bin ich Dir.“
Damit meinte er ihr künstlerisches Wirken für die Sprache und die Eurythmie in der Stuttgarter Waldorfschule. Am 23. März, sieben Tage vor seinem Tod, schrieb er in einem Brief an sie nach Stuttgart:
„Ich kann Dir wirklich nicht ausdrücken, wie ich Deine hingebungsvolle Tätigkeit bewundere, und wie dankbar ich Dir für alles bin, was Du so segensreich vollbringst.“

Wieder einmal fühle ich mich, wie vom Blitz getroffen. Die Idee, dass Katharina und Hypatia identisch sein könnten, hatte ich schon, als ich vor ein paar Monaten Frau Kristalli die Führung durch die Katharinenkirche unter dem Titel „Wer ist die Heilige Katharina?“ vorschlug.
Vor ein paar Tagen erfuhr ich die Bestätigung meiner Vermutung auf der Wikipedia-Seite, wie erwähnt. Nun lese ich bei Peter O. Chotjewitz im Kapitel „Die doppelte Hypatia“, dass auch er schon 2002 diese Parallelität entdeckt hatte. Ich bin berührt. Aber mehr noch berührt mich – und das war der Blitzschlag, von dem ich eben sprach – folgende Passage:
„Es gab eine Heidin namens Hypatia. Um das Jahr 1000 erkannten irgendwelche Christen, dass es ein Fehler war, sie zu ermorden, und dass sie noch gebraucht wurde, ihrer bedeutenden Schriften wegen. Man machte sie also zur Christin, gab ihr einen christlichen Namen (Katharina = die Reine) und verlegte ihre Geburt etwas vor, um ihre Ermordung den Heiden in die Schuhe zu schieben.“ (S 83).
Der Blitz traf mich, als ich die Klammer las. Ich wusste, dass meine erste Freundin immer ein wenig stolz auf ihren Namen war. Sie sagte mir dann: das bedeutet „die Reine“. Nun schaute ich sofort im Duden-Lexikon der Vornamen nach und erfuhr, was ich bisher überhaupt nicht geahnt hatte: „Karin ist die Kurzform von Katharina“. Ich war baff.
(...)
Nur wenige Menschen verstanden Rudolf Steiners wahre Mission innerhalb der theosophischen Logen wirklich.
Am 4. Dezember 1906 (Barbara-Tag) schreibt er aus Bonn an Marie Steiner:
„Wenn wir die Logentreiberei als etwas anderes betrachten, denn ein notwendiges Übel, so treiben wir in einen philiströsen Sumpf hinein. Das einzige, auf das es ankommt, ist, dass den Leuten geistiges Leben zugeführt wird. Was sie gegenseitig in den Logen schwatzen, ist nicht zu vermeiden, aber zu gar nichts nütze.
Aus München schreibt er am 9. Januar 1905:
„In den Köpfen der sogenannten Theosophen wird sich noch einmal aller Materialismus unseres Zeitalters am krassesten spiegeln. Weil die theosophische Gesinnung selbst eine so hohe ist, werden diejenigen, die nicht ganz von ihr ergriffen werden, gerade die schlimmsten Materialisten werden. An den Theosophen werden wir wohl noch viel Böseres zu erleben  haben als an denen, die nicht von der theosophischen Lehre berührt worden sind. Die theosophischen Lehren als Dogmatik, nicht als Leben aufgenommen, kann gerade in materialistische Abgründe führen. Wir müssen das nur verstehen. Sieh Dir einmal Keightley an. Der ist auf dem besten Weg, eines der schlimmsten Opfer der Theosophie zu werden. Ohne Theosophie wäre er ein schlichter, unbegabter, aber wahrscheinlich braver Gelehrter geworden. Durch die Theosophie wird er ein hochmütiger, neidischer, nörgelnder Streber. Das sind Erwägungen, denen der Okkultist immer wieder nachhängen muss, wenn er daran denken soll, die hohe Weisheit der heiligen Meister in das Publikum zu streuen. Das ist seine große Verantwortlichkeit. Das ist es, was uns die Brüder immer wieder entgegenhalten, die im Okkultismus konservativ bleiben und die Methode des Geheimhaltens auch ferner pflegen wollen. – Und kein Tag vergeht, an dem die Meister nicht die Mahnung deutlich ertönen lassen: ‚Seid vorsichtig, bedenkt die Unreife eures Zeitalters. Ihr habt Kinder vor euch, und es ist euer Schicksal, dass ihr Kindern die hohen Geheimlehren mitteilen müsst. Seid gewärtig, dass ihr durch eure Worte Bösewichter erzieht.‘ Ich kann Dir nur sagen, wenn der Meister mich nicht zu überzeugen gewusst hätte, dass trotz alledem die Theosophie unserem Zeitalter notwendig ist: Ich hätte auch nach 1901 nur philosophische Bücher geschrieben und literarisch und philosophisch gesprochen.“
Rudolf Steiner konnte auch – allerdings nur Marie Steiner gegenüber – sehr direkt sein: So schrieb er ihr in einem Brief aus Bremen im November 1906 über den führenden deutschen Theosophen Wilhelm Hübbe-Schleiden:
„Hübbes ganzes Auftreten ist der Ausfluss eines schwachen Kopfes und einer starken Eitelkeit. Daher redet er auch stets von seiner Bedeutung und von seiner Bescheidenheit. (…) Hübbes Reden wirken doch wie sinnlose Wortzusammenstellungen; das tiefste Mitleid ist das einzige Gefühl, das man haben kann.“
Bei diesen Worten musste ich unmittelbar an Karl Langenstein denken, der im Jahre 1987 im Pforzheimer Raum eine Loge begründete, die er als Verwirklichung der „Stiftung für theosophische Art und Kunst“, die 1911 nicht zustande kam, ansah. Der unmittelbare Leiter dieser Loge sollte Christian Rosenkreutz sein.
Solche Menschen innerhalb der Theosophie und später innerhalb der Anthroposophie bedeuteten für Rudolf Steiner eine wahre „Zerreißprobe“. Marie Steiner spürte das. Einmal sprach sie es gegenüber ihrer Sekretärin Johanna Mücke aus:
„Mit dem Doktor kann ich überhaupt kaum mehr ein Wort sprechen, er wird buchstäblich zerrissen.“
Hier erlebe ich die gleiche Stimmung wie am Anfang des fünften Jahrhunderts, als die aufgebrachte Menge unter dem Erzbischof Kyrill von Alexandria die Philosophin Hypathia ergriffen hat, durch die Stadt schleifte, zerstückelte und ihre Überreste schließlich verbrannte. An genau dieser Stelle steht heute eine Moschee, die aus einer ehemaligen christlichen Kirche hervorgegangen ist. Sie war der Heiligen Katharina von Alexandria geweiht.
Das Tragische ist, dass sowohl die Philosophin, als auch ihre Verfolger in die Geheimlehre der Neuplatoniker eingeweiht waren, die damals in Alexandria Mode war.

Schwäbisch Hall, der 13. Juli 2019 (Samstag, 5.41 Uhr)
Nun ist es vollbracht.
Zu meiner Führung sind 14 Menschen gekommen: 12 Mitglieder der Haller Gemeinde der Christengemeinschaft und Frau Kristalli, unsere Priesterin. Eine besondere Ehre aber war es für mich, dass auch Frau Colette Deutsch gekommen ist, die Witwe des Haller Kunsthistorikers Dr. Wolfgang Deutsch.
Die Führung ist mir gut gelungen, was ich an den positiven Reaktionen meines Publikums ablesen konnte. Nach 75 Minuten war ich fertig. Danach kam es noch zu einem schönen Gespräch in der Kirche. Dabei konnte ich auf Nachfrage sogar auf die innere Beziehung der alexandrinischen Philosophin Hypatia zu Marie Steiner eingehen, was ich bei meinem Vortrag nicht getan habe.




Besonderes Interesse erlebte ich bei der Betrachtung des Südostfensters, in dem Glasfenster aus dem Jahre 1360 den kunstgeschichtlich-ästhetischen Höhepunkt der Führung ausmachten. Ich hatte diese bewusst an den Schluss meiner Führung gestellt. Dort sind sechs der mittelalterlichen Tugenden dargestellt, die über die entsprechenden Laster siegen. Schriftbänder erläutern sowohl die Tugenden, als auch die Laster. Mittelalterliche Philosophie war in erster Linie Moralphilosophie. Die Platoniker der Schule von Chartres versuchten die Übereinstimmung der „vita activa“ und der „vita contemplativa“ zu leben, ähnlich wie die Mönche des Benediktinerordens, deren „Ora et labora“ das gleiche Ziel hatte. Ich nannte die einzelnen Tugenden und ihre Gegenbilder. Die Wurzel oder Basis des mittelalterlichen Tugendkataloges bildet die Humilitas (Demut), die über die Superbia (Hochmut) siegt. Die Pietas (Frömmigkeit) siegt über den Geiz (Avaritia), die Humanitas (Güte) über den Neid (Invidia), Die Mäßigung (Temperantia) über die Gula (Völlerei) und die Keuschheit (Castitas) über die Luxuria (Wollust).
Bei dieser Gelegenheit trage ich auch die zwölf Monatstugenden vor, die Rudolf Steiner zur Meditation empfahl: Im April (Widder): Devotion (Ehrfurcht) wird zur Opferkraft, im Mai (Stier): (inneres) Gleichgewicht wird zu Fortschritt, im Juni (Zwillinge): Ausdauer wird zu Treue; im Juli (Krebs): Selbstlosigkeit wird zu Katharsis (Reinigung); im August (Löwe): Mitleid wird zu Freiheit; im September (Jungfrau): Höflichkeit wird zu Herzenstakt; im Oktober (Waage): Zufriedenheit wird zu Gelassenheit; im November (Skorpion) Geduld wird zu Einsicht; im Dezember (Schütze): Gedankenkontrolle wird zu Wahrheitsempfinden; im Januar (Steinbock): Mut wird zur Erlöserkraft; im Februar (Wassermann): Diskretion wird zu Meditationskraft und im März (Fische): Großmut wird zu Liebe.
Auffällig ist, dass hier nicht Laster bekämpft werden, sondern Tugenden verwandelt werden zu höheren Seelenfähigkeiten.
Eigentlich gab es im Mittelalter sieben als weibliche Allegorien dargestellte Tugenden und sieben Laster[2], wobei wir wieder bei der Zahl vierzehn sind, mit der ich meine Führung begonnen hatte, denn die heilige Katharina gehört zusammen mit den zwei anderen „madln“ Margareta und Barbara[3] als weibliche zusammen mit den elf männlichen Heiligen zu den 14  Nothelfern, die von den Menschen in allerlei Lebensnöten angerufen wurden:  der heilige Georg bei Seuchen der Haustiere, der heilige Blasius bei Halsleiden, der heilige Erasmus bei Leibschmerzen, der heilige Vitus gegen Fallsucht (Epilepsie), der heilige Christopherus gegen einen unerwarteten Tod, der heilige Dionysius gegen Kopfschmerzen, der heilige Cyriakus gegen Anfechtungen in der Todesstunde, der heilige Achatius gegen Todesängste und Zweifel, der heilige Eustachius in allen schwierigen Lebenslagen, der heilige Ägidius vor der Ablegung der Beichte; Sankt Pantaleon ist der Patron der Ärzte, Sankt Margaretha die Patronin der Gebärenden und Sankt Barbara die Patronin der Sterbenden. Die Heilige Katharina schließlich wird angerufen bei Leiden der Zunge. Sie ist die Patronin der Philosophen und Universitäten.[4]
Zu den drei heiligen Frauen gehört oft auch noch eine vierte; zusammen mit Dorothea bilden sie die „virgines cardinales“ und entsprechen dadurch – zumindest von der Anzahl her – den vier platonischen Kardinaltugenden Iustitia (Gerechtigkeit), Sapientia (Weisheit), Temperantia (Mäßigung) und Fortitudo (Stärke). Alle Heiligen sind erkennbar an ihren Attributen.




Auf der Predella des aus einer Werkstatt im brabantischen Löwen stammenden besonders kunstvollen Hauptaltars aus dem Jahr 1449 mit der neunteiligen Darstellung der Passion Christi von Palmsonntag bis Pfingsten[5] finden sich vier der genannten Nothelfer wieder: Die heilige Barbara mit Turm und Kelch für das letzte Abendmahl, die heilige Katharina mit dem Rad, der heilige Erasmus mit der Darmwinde und der heilige Vitus mit dem Ölkessel. Auch der fünfte dargestellte Heilige, der von Pfeilen durchbohrte heilige Sebastian, wird bisweilen zu den Nothelfern gezählt.




Insgesamt erscheint die heilige Katharina fünfmal in der evangelischen Kirche, in der zur Zeit der Reformation Michael Gräter, der Bruder von Margarete Gräter, der ersten Frau des Reformators Johannes Brenz, Pfarrer war: In der Predella des Löwener Altars, als spätgotische Sandsteinstatue und als farbig gefasste Statue an einem nördlichen Turmpfeiler im Chor, in dem südöstlichen Glasfenster aus dem Jahre 1360, wo sie an oberster zentraler Stelle mit fünf Philosophen diskutiert, und selbst noch als Bekrönungsfigur auf dem Deckel der barocken Kanzel. Besonders beachtenswert ist die farbig gefasste Statue im Chor aus dem 14. Jahrhundert. Hier hält die Heilige ihr Schwert auf eine unter ihr liegende gekrönte Gestalt, die den römischen Kaiser Maxentius darstellen soll, der der Legende nach fünfzig Philosophen zusammenrief, um die Heilige mit Argumenten vom christlichen Glauben abzubringen. Das Gegenteil geschah: Katharinas Argumente waren besser und die fünfzig Philosophen bekehrten sich zum Christentum. Daraufhin „werden sie von dem enttäuschten und erzürntem Kaiser unmittelbar dem Feuertod überantwortet.“[6]
Diese Haltung erinnert nicht nur an die Tugendallegorien, die die Laster unter ihren Füßen oft mit Lanzen in Schach halten, sondern auch an die berühmte Statue des Erzengels Michael, die in der Turmvorhalle der Michaelskirche am nordöstlichen Hang der Stadt Schwäbisch Hall steht und gleichsam zu Katharina am südwestlichen Hang jenseits des Kochers hinüberschaut. Dabei entspricht der Kaiser, auf den Katharina ihr Schwert stützt, dem Drachen, den Michael mit der Lanze unter sich hält.
Ich erzähle auch von der beliebten Methode der katholischen Kirche, Kirchen, die oft an den Orten vorchristlicher Heiligtümer errichtet wurden, Heiligen zu widmen, die ebenfalls auf heidnische „Götter“ zurückgehen. So kann man als vorchristliche Urbilder der drei heiligen Madln drei weibliche keltische Gottheiten erkennen, die die drei wichtigsten Lebenssituationen des Menschen auf Erden begleiteten und behüteten: die Geburt, das Leben und den Tod. In dieser Sicht kann man das andere Attribut der heiligen Katharina, das Rad, das eigentlich ihr Marterwerkzeug darstellt, auch als Lebensrad deuten, während der „Wurm“ der Margaretha, der das Neugeborene meinen könnte, das man oft als „kleines Würmchen“ bezeichnet, und der Turm der Barbara, den man auch als Mausoleum oder Gruft ansehen kann, auf Geburt und Tod hinweisen.
Die Bildsprache des Mittelalters lässt Raum für viele Deutungen, setzt jedoch jenes bewegliche Denken voraus, das noch mit dem Geistigen rechnete. Erst die kirchliche Dogmatik hat dieses Denken in enge Schranken eingesperrt, aus denen es sich jetzt wieder befreien muss.
Als Urbild der heiligen Katharina, die erst ab dem 10. Jahrhundert verehrt wurde, obwohl sie angeblich im 4. Jahrhundert ihr Martyrium erlitten hat, erscheint nun vor unseren Augen die heidnische Philosophin Hypatia, die an der Universität der durch Alexander den Großen im Nildelta gegründeten Stadt Alexandria Scharen von Studenten anzog. Ihre Erfolge erregten den Neid des damaligen Patriarchen der Stadt, der auf den Namen Kyrill hörte. Er zog eine „Rotte“ von fanatischen Christen zusammen, ließ die Philosophin im März 415 im Musaion, wo sich die Universität und die berühmte Bibliothek befunden hatten, ergreifen, führte sie zum Kaisarion, dem Königspalast, in dem sich auch das Mausoleum Alexanders des Großen befunden hatte, um der schönen Frau dort die Kleider vom Leib zu reißen und die Nackte zu töten und zu zerstückeln. Anschließend wurden die Leichenteile auf den Kinarion-Platz gebracht, wo sie verbrannt wurden.
In dieser Geschichte ist die heidnische Philosophin die Gute und die Christen sind die Bösen. Das hat die katholische Kirche um das Jahr 1000, also 600 Jahre nach Hypatias Tod, auch gemerkt und die Geschichte umgedreht. Man erfand in den Schreibstuben des Papstes eine Heilige, die angeblich von einem heidnischen Kaiser aufs Rad gebunden, zerstückelt und zum Schluss noch mit dem Schwert enthauptet wurde, nachdem sie 50 heidnische Philosophen zum Christentum bekehrt hatte. Nun ist die Christin die Gute und der heidnische Kaiser der Böse. 
Somit passte die Geschichte wieder ins Bild und der Kult der Heiligen verbreitete sich nach und nach. Aber erst im Zusammenhang mit der Vision des Klosterschäfers Hermann Leicht, der im Jahre 1445 und 1446 zweimal den himmlischen Auftrag erhielt, auf der Weide des Klosters Frankental eine Kapelle bauen zu lassen, an deren Stelle 300 Jahre später (1744) von Balthasar Neumann die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen erbaut wurde, verbreitete sich der Kult in Europa. Selbst das heute Katharinenkloster genannte Kloster am Fuße des Berges Sinai war, als es im 5. Jahrhundert gebaut wurde, ursprünglich der Muttergottes gewidmet. Erst im 14. Jahrhundert wurde es umbenannt, nachdem Engel der Legende nach die Gebeine der heiligen Katharina von Alexandria an die Stelle gebracht hatten, wo einer anderen Legende zufolge Moses den brennenden Dornbusch erblickt hatte.[7]
Man kann davon ausgehen, dass es die heilige Katharina von Alexandria gar nie gegeben hat, sondern dass sie eine christlich-katholische Umwidmung der neuplatonischen Philosophin Hypatia war. 
Die heilige Katharina von Siena dagegen hat es wirklich gegeben. Die im Jahre 1347 geborene Tochter eines Wollfärbers tritt 15-jährig in den Dominikanerorden ein, pflegt mit Hingabe Kranke und Arme und gerät während des Gebets in ekstatische Zustände, in denen ihr Visionen zuteilwerden. So reicht ihr in einer ihrer Erscheinungen Christus den Trauring. Statt des Rings wählt sie die Dornenkrone und erhält die Wundmale. Sie stand in Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten der damaligen Zeit und soll 1376 die Rückkehr des Papstes von Avignon nach Rom bewirkt haben. Sie stirbt 1380 in Rom, wird in der Kirche Santa Maria sopra Minerva bestattet und 1461 heiliggesprochen. Mir ist keine Kirche bekannt, die zu ihren Ehren errichtet wurde. Aber es verbreitete sich in jener Zeit die Legende, dass auch Katharina von Alexandria eine Braut Christi war. Hans Memling, der bekannte flämische Meister, hat im Jahre 1479 ein Triptychon geschaffen, das die mystische Hochzeit der heiligen Katharina zeigt. Es befindet sich heute im Johanneshospital in Brügge.
Das zeigt, dass Wesenszüge der Sieneser Katharina mit denen der alexandrinischen vermischt wurden, um die Popularität der letzteren im Zeitalter des Humanismus und der Reformation zu verstärken. So hat die katholische Kirche in der Zeit der Gegenreformation auch den böhmischen Heiligen Johannes Nepomuk gefördert, der noch heute in katholischen Regionen an vielen Brücken zu sehen ist. Wie Renate Riemek in ihrer Ketzergeschichte aufzeigt, soll dadurch das Unrecht der Kirche an Johannes Hus, eines anderen Prager Predigers, verdeckt werden. Johannes Hus, der 1415 während des Konstanzer Konzils verbrannt wurde, obwohl ihm die Kirche freies Geleit zugesagt hatte, gilt als Vorläufer der Reformation. Er war hundert Jahre zu früh gekommen, denn Johannes Gutenberg musste 1455 erst den Buchdruck erfinden, damit Luthers 95 Thesen 1517 (ohne sein Wissen) überall in Deutschland verbreitet werden konnten. Das löste die längst fällige Reformation und leider auch die zweite Kirchenspaltung (nach der Trennung der katholischen von der orthodoxen Kirche im Jahre 1054) aus.
Ich beende meine Führung mit dem Epigramm von Palladas von Alexandria aus dem Jahre 400:
„An die Philosophin Hypatia
Bewundernd blick ich auf zu dir und deinem Wort,
Wie zu der Jungfrau Sternbild, das am Himmel prangt.
Denn all‘ dein Thun und Denken strebet himmelwärts,
Hypatia, du Edle, süßer Rede Born,
Gelehrter Bildung unbefleckter Stern.“

Dabei weise ich auch auf den Vortrag hin, den Rudolf Steiner am 27. Dezember 1910 in Stuttgart gehalten hat, in dem er zum ersten Mal versucht hatte, karmische Reihen aufzustellen. Die vier Vorträge sind in dem Band „Okkulte Geschichte“ (Ga 126) veröffentlicht. Damals waren die Theosophen jedoch noch nicht bereit, solche Vorträge anzuhören und Rudolf Steiner musste noch 14 Jahre warten, bis er im Jahre 1924 seine Karmavorträge halten konnte, die heute meiner Meinung nach neben den Impulsen für die Pädagogik, die Medizin, die Landwirtschaft und die religiöse Erneuerung zu dem Wesentlichsten gehören, das er geleistet hat.
Am 27. Dezember, dem Tag des Evangelisten Johannes und späteren Todestages Marie Steiners, führte er aus:
„Es gab eine wunderbare Persönlichkeit in den alten orphischen Mysterien; sie machte die Geheimnisse dieser Mysterien durch; sie gehörte zu den allersympathischsten, zu den allerinteressantesten Schülern der alten griechischen orphischen Mysterien. Sie war gut vorbereitet, namentlich durch eine gewisse keltische Geheimschulung, die sie in früheren Inkarnationen durchgemacht hatte. Diese Individualität hat mit einer tiefen Inbrunst die Geheimnisse der orphischen Mysterien gesucht. Das sollte ja an der eigenen Seele durchlebt werden von den Schülern der orphischen Geheimnisse, was in dem Mythos enthalten ist von dem Dionysos Zagreus, der von den Titanen zerstückelt wird, dessen Leib aber Zeus zu einem höheren Leben emporführt. Als ein individuelles Erlebnis sollte es gerade von den Orphikern nacherlebt werden, wie der Mensch dadurch, dass er einen gewissen Mysterienweg durchmacht, sozusagen sich auslebt in der äußeren Welt, mit seinem ganzen Wesen zerstückelt wird, aufhört, sich in sich selber zu finden. (…) Es gehörte in einer gewissen Weise zum Höchsten, was man an Einweihungsgeheimnissen hat erleben können, wenn dasjenige, was ich Ihnen eben angedeutet habe, menschliches Erlebnis geworden war. Und viele Schüler der orphischen Mysterien haben solche Erlebnisse durchgemacht, haben auf diese Weise ihre Zerstückelung in der Welt erfahren und haben damit das Höchste durchgemacht, was in vorchristlichen Zeiten als eine Art Vorbereitung für das Christentum hat erlebt werden können.“
Anschließend geht Rudolf Steiner ausführlich auf die nachchristliche Wiederverkörperung dieser Schülerin der orphischen Mysterien als Hypatia, die Tochter des großen Mathematikers Theon, ein. Einleitend sagt er:
"Wir sehen, wie in ihrer Seele alles das auflebt, was man durchleben konnte in den orphischen Mysterien an der Anschauung der großen, mathematischen, lichtvollen Zusammenhänge der Welt. Das alles war jetzt persönliches Talent, persönliche Fähigkeit. Jetzt brauchte selbst diese Individualität einen Mathematiker zum Vater, um etwas vererbt zu bekommen; so persönlich mussten diese Fähigkeiten sein.“[8]
Es wird den Einsichtigen bald klar, dass mit dieser Individualität Marie von Sivers gemeint war, die 1914 Rudolf Steiners zweite Frau wurde.
Ihr hat der Geisteslehrer einmal einen Meditationsspruch überreicht, den ich nach dem anregenden Gespräch nach meiner Führung auch noch vorlese, weil er Motive aus dem Epigramm des Palladas aufgreift:

„In Sternenweiten
Zu Götterorten
Wendet den Geistesblick
Meine Seele.

Aus Sternenweiten
Von Götterorten
Strömet die Geisteskraft
In meine Seele

Für Sternenweiten
Nach Götterorten
Lebt m e i n Geistesherz
Durch meine Seele“

Nachtrag vom 15. Juli 2019:

Am Sonntagabend las ich den Vortrag vom 27. Dezember 1910, von dem ich bei meiner Führung in der Katharinenkirche gesprochen hatte, noch einmal ganz und war erstaunt, dass Rudolf Steiner in diesem Vortrag zuerst von Gilgamesch und Eabani sprach, die sich eine Kulturepoche später in Griechenland als Alexander und Aristoteles wiederverkörpert haben, bevor er auf die orphische Geheimschülerin einging, die später in Alexandria als Hypatia reinkarnierte.
Es ist schon unglaublich spannend zu erfahren, dass Rudolf Steiner in seinem ersten Karma-Vortrag ausgerechnet von den beiden Individualitäten sprach, die ihm auch im Leben am Beginn des 20. Jahrhunderts so nahe standen.
Ich denke einmal, dass die meisten Zuhörer, die damals in der Stuttgarter Landhausstraße anwesend waren, gar nicht ahnten, von wem der Geisteslehrer real sprach: von Ita Wegman, Marie Steiner und von sich selbst. Diese drei Individualitäten waren durch viele Leben eng miteinander verbunden und griffen ihre gemeinsame Erdenmission immer wieder auf.
Leider kam es dann unmittelbar nach dem Tod Rudolf Steiners zu dem hässlichen „Urnenstreit“ zwischen den beiden Frauen und dem anschließenden Zerwürfnis, das schließlich zur Katastrophe der Ausschlüsse führte. In gewisser Weise trägt Marie Steiner dabei die größere „Schuld“ und muss wohl dafür in ihrem nächsten Leben „büßen“. So muss sie immer wieder in die Zerreißprobe geraten, in die schon die schöne und beliebte Philosophin Hypatia in Alexandria geraten war. Dieses schreckliche „Zerrissenwerden“ gehört offenbar zu Marie Steiners Lebenseinweihung dazu wie der große Schmerz, den Ita Wegman erleben musste, als man sie furchtbar verleumdete und aus dem Vorstand entfernte, zu ihrer.
Nun fand ich mit Hilfe von Peter O. Chotjewitz („Der Fall Hypatia“) heraus, dass sich die beiden Frauen einmal in einem Leben – zumindest äußerlich – schon ganz nahe gekommen waren. Die Situation ist symptomatisch, denn sie erinnert in gewisser Weise an den „Urnenstreit“.
Alexanders Leichnam wurde nach seinem Tod einbalsamiert und über Damaskus nach Alexandria im Nildelta gebracht, wo sie in einem Sarkophag mit gläsernem Deckel in einem „Turm“ (Mausoleum) im Königspalast Kaisarion verehrt werden konnte. Dieser Königspalast war später der Schauplatz von Hypatias Zerstückelung. Peter O. Chotjewitz schreibt (S 66f):
„Bleibt nur die Frage, was aus Alexanders Mumie wurde. Sie wurde weggeworfen, um Hypatias Ermordung in die Wege zu leiten. Als Orestes, Hypatias Freund, den verehrten Mönch und Volksredner Ammonius hinrichten ließ, um den Bürgerkrieg zwischen Ägyptern und Griechen, Christen und Heiden zu beenden, dachte Kyrillos, der Patriarch, nur daran, die Massen noch mehr aufzuwiegeln und nun auf Hypatia zu hetzen.
Was aber lässt die Massen lauter nach Vergeltung und Blut schreien als ein gut inszeniertes Begräbnis? Erbischof Kyrillos hatte eine geeignete Leiche, die des neuesten Märtyrers Ammonius. Ihm fehlte ein angemessener Sarg. Er ließ also die Reste Alexanders aus dem Sarkophag räumen und legte den Märtyrer Ammonius hinein.“
Peter O. Chotjewitz zitiert noch eine Stelle aus Fritz Mauthners Roman „Hypatia“ (Stuttgart 1892):
„Alexander der Große, der Heide, der Grieche, der Gotteslästerer, den man nun lange genug als Götzen verehrt hatte. Die Bronzetür flog aus den Angeln, und der goldene Deckel des Sarkophags hob sich, und was er enthielt, war nach wenigen Augenblicken verschwunden. Der goldgestickte Purpurmantel, die Waffen, der Königsring, die seltsame Krone, alles verschwand, und die Vase mit der Asche Alexanders ging von Hand zu Hand, und auch sie verschwand, Staub zu Staub.“
Rudolf Steiner kannte mit Sicherheit diesen Roman des Sprachforschers Fritz Mauthner, den er oftmals in seinen Vorträgen erwähnt. Interessant ist, das Fritz Mauthner in seinem Roman von einer Urne mit der Asche Alexanders spricht, während doch in Wirklichkeit der einbalsamierte Leib des Welteroberers auch 700 Jahre nach seinem Tod noch unversehrt geblieben sein soll, wie andere Quellen behaupten.
Peter O. Chotjewitz kommentiert abschließend:

„Also keine Mumie, sondern Asche, kein Deckel aus Glas. Aber das sind unerhebliche Details. Der Kern der Erzählung ist wichtig und der ist schlüssig: die Leiche des großen Alexander wurde gefleddert, um die Masse gegen Hypatia aufzuhetzen.“





[2] Im Fenster der Katharinenkirche fehlt industria (Fleiß), die die Faulheit  bzw. Trägheit (acedia) bekämpft
[3] In katholischen Regionen ist bis heute der Spruch im Umlauf: „Die Margret mit dem Wurm, die Kathrin mit dem Radl, die Bärbel mit dem Turm, das sind unsere drei heiligen madl“
[4] Ich hatte sowohl die Aufteilung der Glasfenster mit den sechs Tugenden und Laster, als auch die 14 Nothelfer als Kopien verteilt.
[5] Von links nach rechts: auf der ersten Tafel der Einzug Christi in Jerusalem, auf der zweiten Tafel der Kuss des Judas; im geschnitzten Mittelschrein sehen wir Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung. Auf den beiden letzten Tafeln Christi Himmelfahrt und das Pfingstwunder mit der Taube des Heiligen Geistes. Interessant ist, dass im Schrein vier Engel mit Kelchen das Blut Christi aufsammeln.
[6] Reclams Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten (von Hiltgart L. Keller), 7. Durchgesehene Auflage, 1991
[8] Zitiert nach Erdmuth Johannes Grosse, Das Rätsel des Urvorstandes – Blicke auf die Konflikte in der Anthroposophischen Gesellschaft nach Rudolf Steiners Tod. Eine karmisch-psychologische Betrachtung, Verlag am Goetheanum, Dornach 2007

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